VergebungEin genauerer Blick auf die Vergebung

(A Closer Look at Forgiving)

 

Es ist am Freitag nach den Gebeten in Dschidda, Saudi-Arabien, und die Anbeter strömen aus der Al-Jafali Moschee, um ein Gebiet beim angrenzenden Platz, welcher durch die Polizei abgesperrt wurde, zu umringen. In der Mitte dieses Platzes kniet ein Mann, auf dem Rücken die Hände zusammengebunden, flankiert von einem Imam, einem Gefängniswärter und einem Henker, der ein vier Fuss langes Schwert ergreift. Der verurteilte Mann steht der Familie des Opfers, von der er um Gnade fleht, einige Meter entfernt gegenüber. Hinter ihm, auf der anderen Seite des Platzes, weint die Familie des Gefangenen und bittet die Familie des Opfers um Vergebung.

Ein Offizieller der Regierung liest die Anschuldigungen und dann das Urteil, während der kniende Mann die Augen schliesst und Verse vom Koran zitiert. Der Henker hebt sein glänzendes Schwert. Die Schwachen schauen weg.

Gerade dann, im allerletzten Augenblick, tritt der Vater des Opfers vor und verkündet, dass er dem verurteilten Mann vergibt. Falls die Menge Sympathien hegte für den Mann, der gerade geköpft werden sollte, beginnen sie zu applaudieren und die Familie zu segnen. Es ist ein Zelebrieren von Barmherzigkeit und jedermann weiss instinktiv, dass es ihre einzige Hoffnung im Angesicht der Gerechtigkeit ist. Barmherzigkeit, prachtvolle Barmherzigkeit, ein Duft von Gnade.

Nicht jede erklärte, öffentliche Enthauptung in Saudi Arabien endet so freudig, weil die Familien von vielen Opfern Gerechtigkeit über Barmherzigkeit vorziehen. Ich habe den Verdacht, dass sogar die Familien, welche es wählen, Barmherzigkeit zu zeigen, gewöhnlich warten bis zum letzten Augenblick – gerade so, dass der Verurteilte wenigstens ein wenig Gerechtigkeit erleiden wird, als er mit der Angst ringt. Wie sehr verkörpern sie uns alle. Wir sind geneigt, Gerechtigkeit vorzuziehen für diejenigen, welche uns ungerecht behandeln, aber wir ziehen Barmherzigkeit vor für uns selbst, wenn wir andere ungerecht behandelt haben. Von dieser Heuchelei müssen wir geheilt werden.

Das Heilmittel (The Cure for Unforgiveness)

Jesus Gleichnis vom nachtragenden Diener sollte bestimmt dieses Heilmittel sein (siehe Matt. 18:23-35). Die Hauptpersönlichkeit in dieser Geschichte wollte Barmherzigkeit für sich selbst und Gerechtigkeit für einen anderen, etwas, das grundlegend ungerecht ist und Gott erzürnt. Wir, die wir so grosse Barmherzigkeit von Gott erhalten haben, sind verpflichtet, anderen auch Barmherzigkeit zu erweisen. Das ist so wichtig für Gott, dass Jesus warnte, dass, wenn wir nicht unseren Brüdern vergeben, Gott uns nicht vergeben wird:

Wenn ihr sie aber den Menschen nicht vergebt, so wird euer Vater euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben (Matthäus 6:15).

Diese Wahrheit wird vollkommen veranschaulicht im Gleichnis vom nachtragenden Diener, wo wir lesen, dass der Meister die vorher vergebene und unüberwindliche Schuld seines unbarmherzigen Dieners wiederherstellte und dann „voller Zorn übergab sein Herr ihn den Folterknechten, bis er ihm seine ganze Schuld bezahlt hätte“ (Matthäus 18:34). Damit nicht jemand irrtümlicherweise annimmt, dass die Reaktion des Meisters im Gleichnis nicht typisch ist für unseren gnädigen Gott, hat Jesus dann hinzugefügt: „Ebenso wird auch mein himmlischer Vater mit euch verfahren, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt“ Matthäus 18:35).

Obwohl bekannt ist, dass bekennende Christen Jesus klare Lehre, wie sie in diesem Gleichnis offenbart wird, nicht befolgen, aufgeweicht oder verworfen haben, so warnte Er doch unleugbar und ernsthaft, dass Sein Vater die vorher vergebenen Sünden Seiner eigenen Kinder wiederherstellt, wenn sie nicht vergeben. Da sie sich wiederfinden als Sünder, denen nicht vergeben ist, werden sie letztendlich in die Hölle geworfen werden, im ihre Schuld, welche unmöglich bezahlt werden kann, zu zahlen. Dort werden sie sich zu allen Leuten gesellen, denen auch nicht vergeben wurde, um die Gerechtigkeit zu erhalten, die sie verdienen (und die sie sich so für andere wünschen). Das stimmt zwar nicht ganz mit der populären Idee „Einmal gerettet, immer gerettet“ überein, aber ich denke nicht, dass Jesus bereit ist, sich deswegen zu korrigieren.

Da dies so ist, scheint es eine gute Idee zu sein sicherzugehen, dass wir so vergeben wie Jesus geboten hat. Das ist eine Sache von ewiger Bedeutung. Ausserdem darf unsere Vergebung nicht kosmetischer Natur sein, sondern sie muss, wie Jesus gesagt hat: „…von Herzen“ (Matthäus 18:35) sein.

Die Anwendung (The Application)

Viele, die Jesus ernst nehmen, was die Vergebung betrifft, haben herausgefunden, dass Vergebung zu gewähren nicht immer einfach ist. Diejenigen von uns, die damit ringen zu vergeben, sind oft von Ängsten geplagt, dass, letztendlich, Gott uns als nicht vergeben erklärt, wie der unbarmherzige Diener im Gleichnis von Jesus. Diese Art von Gedanken kann sehr qualvoll sein für diejenigen, welche damit ringen, anderen, welche ihnen Unrecht zufügten, zu vergeben.

Diese Kämpfe jedoch sind sehr oft das Ergebnis eines Missverständnisses betreffend (1) was es bedeutet zu vergeben und (2) wem wir gemäss Gott vergeben sollen. Es mag dich überraschen zu hören, dass Gott nicht erwartet, dass wir jedermann vergeben sollen. Tatsächlich gibt es Leute, bei denen er eindeutig nicht will, dass wir ihnen vergeben. Wenn du mir nicht glaubst, fahr fort mit lesen.

Lass uns damit beginnen, indem wir betrachten, was es bedeutet zu vergeben. Was einige als Vergebung bezeichnen, ist in Wirklichkeit überhaupt keine Vergebung. Ihre Handlungen der „Vergebung“ könnten besser als Versuche beschrieben werden, weniger böse mit denen zu sein, gegen die sie etwas haben und die sie so stark wie möglich vermeiden, damit sie die tief sitzenden Gefühle der Bitterkeit nicht aufwühlen. Ich weiss, wovon ich spreche! Ich wette, du weisst es auch.

Am besten lernen wir von Gott, was Vergebung ist, da Er die ganze Zeit Vergebung ausübt.

Wenn Gott mir eine Sünde vergibt, dann hält Er diese Sünde nicht länger aufrecht gegenüber mir. Er ist nicht mehr länger böse mit mir für das, was ich getan habe. Ich brauche mich nicht zu fürchten, dass Er mich bestrafen wird für diese Sünde. Der Bruch, der vorher in unserer Beziehung wegen dieser Sünde bestand, ist nicht mehr da. Meine Gemeinschaft mit Ihm ist wiederhergestellt. Das ist Vergebung. Vergebung führt zu Versöhnung.

Jemandem zu vergeben ist wie seine Schuld zu streichen. Im Gleichnis vom nachtragenden Diener schuldete der erste Diener seinem Meister ein grosse Summe Geld. Er wusste, dass, wenn er nicht zurückzahlen würde, was er schuldete, er die gerechte Strafe erleiden würde. Er bat um Gnade und sein Meister vergab seine Schuld vollkommen. Der Diener hatte keine Verpflichtung mehr, sie zurückzuzahlen. Er hatte keinen Grund mehr, den Zorn oder die Strafe seines Meisters zu fürchten. Seine Beziehung mit seinem Meister ging von Zwietracht zu Frieden über. Das ist ein Bild der Vergebung.

Der zweite Teil von demselben Gleichnis veranschaulicht das Nicht-Vergeben. Obwohl der zweite Diener um Gnade bat, weigerte sich der erste Diener und liess ihn ins Gefängnis werfen. Da war kein Streichen der Schuld. Da war keine Versöhnung. Das ist das Bild des Nicht-Vergebens.

Einige Leser mögen einwenden: „Aber in einigen Fällen gibt es keine Versöhnung aus dem ganz einfachen Grund, dass die zuwiderhandelnde Partei Versöhnung nicht wünscht. Ich kann jemandem vergeben, der nie eingesteht, dass er mir gegenüber gesündigt hat oder der nie um meine Vergebung gebeten hat und der sich nicht darum kümmert, ob wir versöhnt sind.“

Ich denke, das ist oft wahr in Bezug auf kleine Kränkungen. Wir können gnädig kleine Kränkungen übersehen und so sollten wir es die meistens tun, indem wir uns daran erinnern: „Wenn Leute es besser wissen würden, dann würden sie es besser tun.“ Übersensible Leute und solche, welche leicht gekränkt sind, haben wenige Freunde.

Stell dir aber einen Ehepartner, einen Bruder oder eine Schwester in Christus vor, welche(r) dir etwas höchst Beleidigendes und tief Verwundendes ins Gesicht sagt. Jetzt versuch einfach vorzugeben, als ob du nie die Beleidigung gehört hättest, und fahre die Beziehung fort, ohne die Beleidigung der beleidigenden Person zu erwähnen. Viel Glück! Natürlich weisst du instinktiv, dass, damit es Vergebung und Versöhnung geben kann, zuerst Gegenüberstellung und Eingeständnis da sein müssen. Und weil dir die Beziehung zu dieser Person etwas Wert ist und du Versöhnung wünschst, konfrontierst du den Täter und hoffst, dass er oder sie dich um Vergebung bitten werden, welche du dann auch gewähren wirst, damit du die gewünschte Versöhnung erreichst.

Sicherlich stimmt mir jeder Leser zu, dass es viel einfacher ist, jemandem zu vergeben, der darum bittet, als jemandem zu vergeben, der nicht darum bittet. Und bestimmt versteht jeder Leser die Bosheit einer Person, der vergeben worden ist, die sich aber weigert, einer anderen Person Vergebung zu gewähren, um die sie gebeten hat.

All das sagt uns, dass Vergebung, wahre Vergebung, die Versöhnung als Ergebnis hat. Sogar bei einer kleinen Kränkung, wenn wir denken, dass wir jemandem vergeben haben und uns dann trotzdem darin wiederfinden, dass wir den Täter meiden, dann gibt es da einen Bruch in der Beziehung. Da es offensichtlich keine Versöhnung gibt, stellt dies das zugrunde liegende Nicht-Vergeben bloss.

Fortbestand in der Gegenüberstellung (Continuance in Confrontation)

Genau deshalb hat uns Jesus angewiesen, nicht einem Bruder oder einer Schwester in Christus zu vergeben, welche gegen uns gesündigt hat, sondern sie oder ihn damit zu konfrontieren mit dem Ziel, auf eine Versöhnung hinzuarbeiten (Matthäus 18:15). Wenn diese persönliche Begegnung den Täter nicht zu einem Eingeständnis bringt (welches dann zum Ergebnis die Vergebung und Versöhnung hat), dann soll die gekränkte Partei Hilfe von einem oder zwei anderen anfordern, welche sie begleiten in der Gegenüberstellung mit dem Täter (Matthäus 18:16).

Wenn es nach der zweiten Gegenüberstellung immer noch keine Busse von Seiten des Täters gibt, dann muss die Sache vor die ganze Gemeinde (welche, nebenbei bemerkt, während den ersten 300 Jahren der Kirchengeschichte eine kleine Gruppe war, welche sich höchstwahrscheinlich in einem Haus traf und wahrscheinlich kannten alle Glieder den Täter und die gekränkte Person) gebracht werden.

Wenn diese dritte Gegenüberstellung den Täter nicht zur Busse bringt, wenn er sich stur weigert, der Mehrheit nachzugeben, dann sagte Jesus: „so gelte er dir wie ein Heide und ein Zöllner“ (Matthäus 18:17). Das ist, ex kommuniziere ihn von deiner Gemeinschaft und behandle ihn von da an als einen unbussfertigen, unheiligen Aussenstehenden. Das ist nicht ein Bild der Versöhnung! Und das ist auch nicht ein Bild der Vergebung. Was würdest du von einer Gemeinde denken, welche von einem widerspenstigen Mitglied sagen würde „Wir vergaben ihm und dann haben wir ihn ex kommuniziert“? Würde das nicht irgendwie widersprüchlich tönen?

So soll, gemäss Jesus, die Gemeinde solchen Leuten nicht vergeben. Wenn wir solchen Leuten vergeben würden, dann würden wir sie nicht ex kommunizieren. Wieder, Vergebung hat zum Ergebnis die Versöhnung. Und es gibt keine Versöhnung bis es Eingeständnis und Busse gibt. Deshalb kann es keine Vergebung geben, allgemein gesprochen, ohne Eingeständnis und Busse. Vergebung gründet sich auf Busse.

Beachte, dass im Gleichnis vom nachtragenden Diener der erste Diener demütig um Gnade bat. Dann vergab ihm sein Meister. Der zweite Diener in dem Gleichnis bat auch um Gnade, aber der erste Diener weigerte sich, sie zu gewähren. Das ist es, was den Meister so zornig machte und das ist es, was Gott so zornig macht.

Wem vergibt Gott? (Whom Does God Forgive?)

Natürlich vergibt Gott nicht jedermann automatisch. Er vergibt nur denjenigen, welche ihre Sünden bekennen und Busse tun. Denjenigen, welche ihre Sünden nicht bekennen und Busse tun, vergibt Er nicht. Er verlangt von uns nicht einen höheren Standard als Er Selbst für Sich verlangt. Er verlangt von uns nicht, denjenigen zu vergeben, welchen Er nicht vergibt. Aber Er erwartet von uns, dass wir jedem vergeben, der demütig um Vergebung bittet.

Zudem sind wir nicht aller Verantwortung entbunden, wenn ein Mit-Gläubiger gegen uns sündigt und nicht um Vergebung bittet. In diesem Fall wird von uns erwartet, dass wir den Täter gegenüberstellen und auf eine Versöhnung hinarbeiten, eine Versöhnung, die nur geschehen kann, wenn die zuwiderhandelnde Partei demütig ihre Sünde eingesteht und um Vergebung bittet. Genau so wirkt natürlich auch Gott. Wenn ich gegen Ihn sündige, konfrontiert Er mich und wenn ich mich übergebe und meine Sünde bekenne, dann vergibt Er mir. Er arbeitet auf Vergebung und Versöhnung hin mittels Gegenüberstellung.

Genau deshalb lehrte Jesus:

Wenn dein Bruder sich vergangen hat, so halte es ihm vor; und wenn er es bereut, so vergib ihm. Selbst wenn er sich siebenmal am Tage gegen dich vergeht und siebenmal wieder zu dir kommt und erklärt: Es tut mir leid!, so sollst du ihm vergeben (Lukas 17:3-4)

Jesus erwartet von uns, dass wir Mit-Gläubige, die, indem sie gegen uns sündigen, einen Bruch in unserer Beziehung verursachen, gegenüberstellen. Und Er erwartet von uns, ihnen zu vergeben, wenn sie Busse tun und nur, wenn sie Busse tun. Wieder sehen wir, dass sich Vergebung, wahre Vergebung, auf der Busse des Täters gründet.

Ein paar Einwände (A Few Objections)

Aber war nicht das Gebet von Jesus für die Soldaten, welche Ihn kreuzigten „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lukas 23:34), ein Beispiel, dass Gott Leuten vergibt, ohne dass sie Ihn um Vergebung bitten? Und was ist mit dem Gebet von Stephanus für diejenigen, welche ihn steinigten: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“ (Apostelgeschichte 7:60)? Es scheint sicher, dass er ihnen vergab, ohne dass sie ihn darum baten.

Zuerst beachte, dass keines der Beispiele in die gleiche Kategorie fällt, wie wir sie betrachtet haben, nämlich das Thema der Gegenüberstellung, Eingeständnis, Vergebung und Versöhnung zwischen zwei Gläubigen. In beiden der gerade genannten, zwei besonderen Beispielen, zeigten Gläubige ausserordentliche Barmherzigkeit gegenüber Ungläubigen. Mit zuwiderhandelnden Ungläubigen umzugehen ist sehr unterschiedlich wie mit zuwiderhandelnden Gläubigen umzugehen. Oft gibt es gar keine Beziehung mit ihnen, die bereinigt werden sollte. Sogar wenn Jesus oder Stephanus Zeit und Gelegenheit gehabt hätten, die Ungläubigen, welche sie umbrachten, gegenüberzustellen, wie gut wäre ihre Gegenüberstellung aufgenommen worden? Kannst du dir vorstellen, dass Stephanus zu den Leuten, die Steine gegen ihn warfen, sagt: „Ihr sündigt gegen mich! Aber ich würde euch gerne mit mir versöhnen, treffen wir uns also zuerst persönlich und wenn euch das nicht zur Busse führt, werde ich gehen und ein oder zwei andere finden und wenn euch das nicht wendet, dann lasst uns mit der ganze Gemeinde treffen….“?

Jesus hat unbestreitbar ein erstaunliches Mass an Barmherzigkeit gezeigt den Soldaten gegenüber, welche Ihn kreuzigten, eine Barmherzigkeit, welche wegen ihrer Unwissenheit dargebracht wurde. Für sie war Er nicht anders als irgendeiner der Kriminellen, die sie kreuzigten.

Wie sieht es mit den anderen aus, die für den Tod von Jesus verantwortlich waren? Hat Jesus die Sünde von Judas nicht gegen ihn aufrechterhalten? Hat Er Seinen Vater gebeten, Judas zu vergeben? Nein, betreffend Judas sagte Jesus: „wehe dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Für diesen Menschen wäre es besser, er wäre nicht geboren (Matthäus 26:24). Jesus betete sogar, dass der Zorn Gottes auf Judas fallen möge (vergleiche Psalm 109:6-8 mit Apostelgeschichte 1:20). Judas war nicht unwissend darüber, was er getan hatte. Die Soldaten, die Christus gekreuzigt hatten, aber schon.

Und hat Jesus gebetet, dass Gott dem Sanhedrin oder Pilatus vergeben würde? Wenn Er es tat, dann gibt es davon keinen Bericht in der Bibel. Er sagte Pilatus in sein Gesicht, dass er sündige (Johannes 19:11).

Da dem so ist, denke ich nicht, dass wir, uns gründend auf die Beispiele vom Gebet Jesu für die Soldaten oder vom Gebet des Stephanus für seine Mörder, folgern können, dass Gott von uns erwartet, dass wir allen Ungläubigen, welche gegen uns sündigen, vergeben. Gewiss sollen wir unsere Feinde lieben, beten für diejenigen, welche uns verfolgen und denen Gutes tun, welche uns hassen (Matthäus 5:44; Lukas 6:27). Aber es ist gut möglich, unsere Feinde zu lieben, ohne ihnen zu vergeben. Gott liebt jeden, aber allgemein gesprochen vergibt Er nur denen, welche Busse tun. Es gibt in den Schriften ein paar Beispiele mehr von Ihm, Der dem nicht vergibt, der nicht Busse tut als es Beispiele gibt von Ihm, Der dem vergibt, der nicht Busse tut.

Darf ich darauf hinweisen, dass weder das Gebet von Jesus für die Soldaten noch das Gebet von Stephanus für seine Mörder ewiges Leben für einen ihrer Verfolger garantierten. Bestenfalls haben die Gebete von Jesus und Stephans nur zum Ergebnis gehabt, dass Gott ihren Verfolgern eine spezifische Sünde vergeben hat. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass Gott alle Sünden von denjenigen, für die Jesus oder Stephanus gebetet haben, vergeben hat.

Schliesslich muss ich fragen: Wenn Stephanus nicht eine so vergebende Haltung besessen hätte, wäre Gott zornig geworden und hätte seine vorher vergebenen Sünden wiederhergestellt? Wäre er in die Hölle geworfen worden, nachdem er für seinen Glauben als Märtyrer starb? Das scheint unwahrscheinlich. Wenn er sein gnädiges Gebet für seine Mörder nicht gebetet hätte, dann wäre er immer noch nicht vergleichbar mit dem nachtragenden Diener im Gleichnis von Jesus. Dieser weigerte sich einem Täter, der Busse tat und um Gnade bat, zu vergeben.

Ein paar Schlussgedanken (A Few Final Thoughts on Forgiveness)

In Offenbarung lesen wir von einigen Heiligen, welche „einiges Nicht-Vergeben hegen“ und nicht nur wurde ihnen der Zugang zum Himmel verwehrt, sondern sie waren bereits im Himmel!

Als (das Lamm) dann das fünfte Siegel öffnete, sah ich unten am Brandopferaltar die Seelen derer, die hingemordet waren wegen des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie besaßen. Sie riefen mit lauter Stimme: »Wie lange, o heiliger und wahrhaftiger Herr, verziehst du noch mit dem Gericht und rächst unser Blut nicht an den Bewohnern der Erde?« Da wurde einem jeden von ihnen ein weißes Gewand gegeben, und es wurde ihnen gesagt, sie möchten (oder: müßten) sich noch eine kurze Zeit gedulden, bis auch ihre Mitknechte und ihre Brüder vollzählig (oder: vollendet =zur Leidens- und Glaubensvollendung gekommen) wären, die ebenso wie sie den Tod erleiden müßten. (Lukas 17:3-4)

Bemerke, dass diejenigen, welche beteten, nicht zurechtgewiesen wurden für ihren Wunsch nach Rache für Ihre Mörder. Ihnen wurde auch nicht gesagt zu vergeben, wie ihnen vergeben wurde. Ihre Mörder waren nicht Brüder und Schwestern in Christus (natürlich); noch hatten sie sich gedemütigt, um Vergeben zu bitten. Diese Faktoren müssen alle betrachtet werden, um zu entscheiden, wem zu vergeben Gott von uns erwartet.

Du erinnerst dich vielleicht, dass Josef, der Sohn Jakobs, nicht sofort seinen Brüdern, die so schwer gegen ihn gesündigt hatten, vergeben hat. Vielmehr führte er sie durch einen gewissen Grad von Qualen, welche sie zur Busse über ihr Tun brachten und dann testete er sie, um sich zu vergewissern, ob ihre Reue und Busse echt waren. Erst dann sprach er gnädige Worte der Vergebung zu ihnen und erst dann wurden sie versöhnt. Was Josef vollbrachte für seine Brüder, indem er ihnen zuerst nicht vergab, war gut für sie. Was, wenn er sich ihnen bei ihrem ersten Besuch nach Ägypten offenbart hätte, indem er gesagt hätte: „Ich bin Josef! Ich habe nichts gegen euch! Lasst uns eine Party feiern!“? Wären sie dann wirklich zur Busse gebracht worden? Oder hätten sie sich zueinander mit einem Lächeln gewandt und ausgerufen: „Oh! Verbrechen machen sich bezahlt!“

Der Vater des verlorenen Sohnes im Gleichnis Jesu mit dem gleichen Namen ist gewiss ein gutes Beispiel von jemandem, der vergab. Aber wie wäre seine Reaktion gewesen, wenn sein ungezügelter Sohn zurückgekehrt wäre mit einem Mädchen an jedem Arm und einer Flasche Whiskey in jeder Hand und beleidigend gesagt hätte: „He, mein alter Mann, mir fehlt es an Kleingeld! Könntest du deinem nach Vergnügen lechzendem Sohn Kohle leihen? Schlachte das fette Kalb“? Ich zweifle daran.

Schlussendlich scheint es mir, dass vergeben und vergeben werden eine Sache zwischen zwei Parteien ist, einem Täter und jemandem, gegen den eine Tat verübt worden ist. Ich kann nicht jemandem seine Sünde gegen dich vergeben, noch sollte ich es. Wenn ich’s tue, dann stehe ich ungerechterweise auf der Seite des Täters gegen dich. Stelle dir vor ich sehe jemanden, der dich zu Boden schlägt und dich dann tritt, bis du bewusstlos bist. Stelle dir vor, dass du für einen Augenblick das Bewusstsein wieder erlangst und mich dann zum Angreifer sagen hörst: „Ich vergebe dir für das, was du getan hast, weil Jesus mir geboten hat, jedem zu vergeben. Ich lasse das, was du getan hast, nicht zwischen uns stehen. Ich mache dich nicht verantwortlich für das, was du getan hast, noch werde ich vor Gericht gegen dich aussagen. Ich werde dich behandeln, als ob das nie geschehen sei.“ Du wirst meine Handlung der „Vergebung“ gegenüber deinem Angreifer als eine Sünde gegen dich betrachten. Und das solltest du auch.

Es ist absurd zu sagen, dass wir Christen „allen vergeben müssen, sogar Adolf Hitler“. Adolf Hitler hat nicht gegen mich gesündigt, so habe ich nichts, was ich ihm vergeben könnte. Wenn ich erklärt hätte, dass ich ihm vergeben hätte, was für eine Art von Botschaft würde das zu allen aussenden, welche wegen seiner Bosheit litten oder gestorben sind? Darf ich hinzufügen, dass es ziemlich unwahrscheinlich scheint, dass Gott Adolf Hitler vergeben hat, warum also erwartete Er von mir zu tun, was Er selber nicht tun würde?

In den letzten dreissig Jahren habe ich viele Predigten über Vergebung gehört, welche sich auf ein paar Schriftstellen gründen, Predigten, bei denen, wie ich denke, die Leute nachher schlimmer dran sind als sie es waren, bevor die Predigt begann. Sie kratzen nur an der Oberfläche und sie enden damit, dass sie unausgewogen sind in Bezug auf alles, was die Schriften zu sagen haben. Dieser Artikel ist gewiss nicht das letzte Wort betreffend dieses Thema, aber ich hoffte, ein wenig tiefer zu gehen, einfach um uns alle zum Denken anzuregen. Wie immer, heisse ich eure aufmerksame und freundliche Reaktion willkommen. (Obwohl ich bitte nicht zu erwarten, dass ich antworte, denn wie immer schwimme ich in E-Mails.